Chaos beim Akteneinsichtsausschuss
Bereits am 15. Juli 2021 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, einen Akteneinsichtsausschuss einzusetzen, zur Aufklärung der Vorfälle in Sachen Greensill Bank. Heute – mehr als drei Monate später – hat der Ausschuss seine Tätigkeit noch immer nicht aufgenommen. Und es wird voraussichtlich noch bis zum 23. November 2021 dauern, bis der Ausschuss endlich ordnungsgemäß tagt.
Die erste reguläre Arbeitssitzung sollte am 6. Oktober 2021 stattfinden. Allerdings hatte die Verwaltung die Mitglieder nicht fristgerecht eingeladen. Der Ausschussvorsitzende Blomberg (Grüne) eröffnete die Sitzung und schloss sie sogleich wieder.
Vergangene Woche, am 20. Oktober 2021, sollte dann endlich mit der regulären Arbeit begonnen werden. Tags zuvor sagte der Ausschussvorsitzende aber auch diese Sitzung überraschenderweise und sehr kurzfristig ab.
Vorausgegangen war eine Anfrage der Verwaltung an die Fraktion der FDP, ob diese den von ihr für den Akteneinsichtsausschuss nominierten Altbürgermeister Mathias Geiger als befangen ansehe und daher von seiner Entsendung in den Ausschuss absehen möchte.
Die Freidemokraten sahen und sehen jedoch kein Problem darin, dass der ins Parlament gewählte Geiger an der Akteneinsicht teilnimmt, da unter seiner Leitung weder Geld abhandengekommen ist noch seit der Geltung der städtischen Kapitalanlagerichtlinie bei der Greensill Bank angelegt oder Klumpen-Risiken in Höhe von 35 Mio. Euro – wie im Fall Greensill – eingegangen wurden.
Die Antwort der FDP, an Geigers Nominierung festzuhalten, war der Verwaltung – insbesondere dem Bürgermeister – wohl nicht genehm. Daraufhin bat das Büro des Bürgermeisters den Hessischen Städtetag in Wiesbaden um eine rechtliche Einschätzung, die – welch´ Wunder –zu dem Ergebnis kam, dass bei Geiger eine Interessenkollision bzw. Befangenheit vorläge.
Unberücksichtigt ließ das generische Kurzgutachten, welches von einem ehemaligen CDU-Bürgermeister einer Rhein-Main Kommune unterzeichnet ist, aber wichtige, bereits bekannte Fakten, die für die Beurteilung des Einzelfalls „Geiger“ aber durchaus relevant sind.
Aus diesem Grund blieben die Freidemokraten bei ihrer Einschätzung, dass eine Befangenheit Geigers nicht vorliegt. Scheinbar verunsichert von der Antwort der FDP zur angeblichen Befangenheit Geigers und den im Gegenzug aufgeworfenen Fragen, wurde die anberaumte Sitzung des Akteneinsichtsausschusses für den 20. Oktober 2021, einen Tag davor, erneut gecancelt.
Um dem organisatorischen Chaos ein Ende zu bereiten und den Akteneinsichtsausschuss nun endlich tätig werden zu lassen, haben die Freidemokraten kurzerhand entschieden, anstatt des Stadtverordneten und Altbürgermeister Geiger, den Stadtverordneten und Verwaltungsfachmann Christian Scherer in den Ausschuss zu entsenden.
Chaotisch und nebelig bleibt es weiterhin: Denn Befangenheiten hatten bisher keine Bedeutung. Oder, wieso hat der amtierende Bürgermeister bei der Prüfung und Aufklärung seines eigenen Verwaltungshandels an Beratungen und Beschlussfassungen, z.B. zur Beauftragung von Rechtsgutachten, in der Vergangenheit mitgewirkt?
Dieser Interessenkonflikt liegt auf der Hand – wurde aber bisher geflissentlich übersehen. Eine Beanstandung dieser Arbeitsweise bei der Kommunalaufsicht macht leider wenig Sinn, da die Koalitionsmehrheit die getroffenen Beschlüsse einfach durch erneute Beschlussfassung heilen kann. Denn in der Demokratie entscheiden auch beim Verlust von 35 Mio. Euro am Ende die politischen Mehrheiten, denen häufig der Machterhalt und die Absicherung der eigenen Ämter wichtiger sind. Immerhin haben am langen Ende die Wähler das letzte Wort.
Eschborn, 26.10.2021