Leserbrief des Stadtverordneten Christian Scherer zum „Bürgerbüro“

15.01.2022

Scherer gibt Birkert Recht

In der Diskussion um das Bürgerbüro – das de facto gar kein Bürgerbüro ist – muss ich meinem Kollegen Reinhard Birkert vollumfänglich Recht geben. Die Räumlichkeiten in der Neuen Mitte verfügen über keinen angemessenen Wartebereich. Mit Corona hat das herzlich wenig zu tun. Dieser Umstand ist jedoch nicht das einzige Manko. Die Anzahl der sanitären Anlagen ist nur unzureichend. Hinzukommt, dass die Fenster zwar beinahe bodentief sind und für Helligkeit sorgen, jedoch nicht geöffnet werden können.

Die angepriesene Lage in der Neuen Mitte wird während des Umbaus des Rathauses ein weiterer Negativfaktor. Bürgerinnen und Bürger, die gern mehrere Anliegen in der Verwaltung in einem Gang erledigen möchten, wobei mindestens ein Anliegen das so titulierte Bürgerbüro betrifft, müssen zukünftig wohl zwei weit auseinanderliegende Örtlichkeiten aufsuchen (Neue Mitte, Unterortstraße; Yaskawa-Gelände, Hauptstraße 185).

Diese Umstände hätten zwingend dazu führen müssen, von den Räumlichkeiten der ehemaligen Galerie Abstand zu nehmen. Aus der Verwaltung wurde dem Bürgermeister mehrfach von seiner unbedachten Aktion abgeraten, jedoch zeigte dieser sich beratungsresistent. Die Gründe für sein Handeln sind dennoch klar: Kurz nach der Bürgermeisterwahl 2019 hatte er angekündigt, die Einrichtung eines Bürgerbüros werde eine seiner ersten Amtshandlungen. Nachdem die „Chefsache“-Ankündigung hinsichtlich der beiden zu erneuernden Bahnhöfe schon ein großer Reinfall war, sollte zumindest mit dem Bürgerbüro ein Erfolg erzielt werden – allerdings nur ein scheinbarer Erfolg.

Denn die jeweiligen Ausgestaltungen der sogenannten Bürgerbüros sind zwar kommunal durchaus unterschiedlich, jedoch besagen alle anerkannten Definitionen, dass das Einwohnermeldeamt lediglich das Grundgerüst eines Bürgerbüros darstellt. Daneben werden in Bürgerbüros viele weitere, typischerweise publikumsintensive Dienstleistungen angeboten. Dies ist in Eschborn jedoch nicht der Fall. Kurzgesagt: Der Bürgermeister hat dem Einwohnermeldeamt ein neues Namensschild verpasst und betreibt damit einen plumpen Etikettenschwindel. Zum Vergleich: Niemand der beabsichtigt in ferner Zukunft zu promovieren, kann sich vorab bereits „Dr.“ nennen.

Den Vorschlag, das Yaskawa-Gelände zu kaufen, um dort temporär die Verwaltung unterzubringen und es anschließend abzureißen und hunderte Wohnungen zu errichten, lehnt meine Partei aus Kosten- und Risikogründen ab. Als Anwohner der Hauptstraße möchte ich mir die verkehrlichen Auswirkungen nicht einmal ansatzweise vorstellen.

In unseren Gewerbegebieten sind zudem genügend bezugsfertige Büros vorhanden und das Bürgerzentrum in Niederhöchstadt könnte für die Gremien- und Fraktionsarbeit genutzt werden. Sollte es dennoch über die Koalitionsparteien CDU, Grüne und FWE eine politische Mehrheit für diesen Harakiri-Vorstoß und womöglich ein weiteres Millionengrab geben, werde ich den Antrag meiner Fraktion unterstützen, das „falsche“ Bürgerbüro ebenfalls zu Yaskawa und einhergehend die Galerie zurück in die Neue Mitte zu verlagern.

Eschborn, 13.01.2022