Minderheitenbericht von FDP und Die Linke – „Klärung der Verwaltungsvorgänge bzgl. der Beratungsinhalte der Kanzlei DENTONS im Zusammenhang mit den Greensill-Geldanlagen und der Haftung der Firma Rödl & Partner“

01.12.2025

Arbeitsauftrag:

„Klärung der Verwaltungsvorgänge bzgl. der Beratungsinhalte der Kanzlei DENTONS im Zusammenhang mit den Greensill-Geldanlagen und der Haftung der Firma Rödl & Partner“ (Beschlussvorlage 2025/0432/stv)

Der Ausschuss hat in vier Sitzungen die ihm vorgelegten Unterlagen ausgewertet und die relevanten Verwaltungsvorgänge eingehend geprüft.

Ziel war es, die Rolle der Verwaltung, die Einbindung der Kanzlei Dentons sowie die Grundlage für die Geltendmachung möglicher Ansprüche gegenüber Rödl & Partner transparent aufzuarbeiten.

1. Vollständigkeit und Qualität zur Aktenlage

Die Sichtung der Unterlagen ergab, dass die Aktenführung in wesentlichen Punkten nicht vollständig ist und den Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit nicht vollumfänglich genügt.

Zu den fehlenden Unterlagen zählen insbesondere:

  • Dokumentationen zu telefonischen Abstimmungen und Videokonferenzen, insbesondere zwischen dem Bürgermeister und Dentons, die zwar stattgefunden und abgerechnet wurden, jedoch nicht verschriftlicht in der Akte vorliegen;
  • ein nicht versendetes Forderungsschreiben vom 12.05.2023 einschließlich der Gründe für die Nichtversendung;
  • das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am 26.02.2025;
  • Teile des Mailverkehrs zu strategischen und juristischen Abstimmungen im Hinblick auf das Vorgehen gegen Rödl & Partner.

Die unvollständige Aktenlage erschwert eine vollumfängliche Bewertung der verwaltungsinternen Entscheidungsprozesse erheblich und entspricht nicht den üblichen Standards ordnungsgemäßer Verwaltungsführung.

2. Einflussnahme der Verwaltung auf die Gutachten der Kanzlei Dentons

2.1 Rolle des Bürgermeisters und der benannten Ansprechpartner

Aus den vorliegenden Unterlagen des Fachbereichs 2 ergibt sich, dass sowohl der Bürgermeister als auch die Leiterin des Fachbereichs 1  (Finanzen) weit über eine rein technische oder koordinierende Funktion hinaus Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung der Dentons-Gutachten genommen haben.

Der Bürgermeister war – trotz eigener Betroffenheit als Kämmerer der Stadt – in entscheidende juristische Bewertungsprozesse eingebunden. Dies betrifft insbesondere die Formulierung rechtlicher Schlussfolgerungen sowie die Freigabe der finalen Gutachten. Eine solche Mitwirkung ist mit der Erwartung an die Unabhängigkeit gutachterlicher Bewertung nicht vereinbar.

2.2 Entfernung zentraler rechtlicher Aussagen

Besonders kritisch ist die Streichung eines wesentlichen Passus aus frühen Entwürfen des Gutachtens zur Beraterhaftung. Darin wurde festgehalten, dass der Kassenverwalter für bestimmte Anlageentscheidungen eine vorherige Zustimmung des Bürgermeisters hätte einholen müssen.

Die vollständige Entfernung dieses Hinweises erfolgte auf Wunsch der Verwaltung. Die Begründung hierfür erscheint aus juristischer Sicht nicht tragfähig. Die Entfernung eines solch zentralen Elements ist eine substantielle inhaltliche Einflussnahme, die die Objektivität der gutachterlichen Arbeit deutlich infrage stellt.

3. Bewertung der Anlagepraxis und des Risikobewusstseins der Verwaltung

Die Untersuchung belegt, dass die Verwaltung bei den Greensill-Anlagen systematisch von den Vorgaben der Kapitalanlagerichtlinie abgewichen ist. Die mehrfachen hohen Einlagen bei Greensill standen im klaren Widerspruch zu den Regelungen zur Risikostreuung und zum Grundsatz „Sicherheit vor Ertrag“.

Interner Mailverkehr zeigt, dass:

  • die bestehenden Grenzen bewusst überschritten wurden,
  • alternative risikoarme Anlageformen bekannt waren,
  • die Vermeidung von Negativzinsen Vorrang vor der risikoadäquaten Auslegung der Richtlinie hatte.

Damit war bereits vor Auftragserteilung an Dentons und vor dem Vorgehen gegenüber Rödl & Partner verwaltungsintern klar, dass eine Haftung Dritter auf Basis fehlerhafter Beratung nicht plausibel begründbar sein würde. Dieses Wissen ist für die Einschätzung der Erfolgsaussichten entscheidend gewesen.

4. Einordnung des Verwaltungshandelns im Zusammenhang mit Rödl & Partner

Vor dem Hintergrund der bekannten Abweichungen von den Richtlinien war die Möglichkeit, erfolgreich Schadensersatzansprüche gegen Rödl & Partner durchzusetzen, aus Sicht des Ausschusses von Beginn an zweifelhaft.

Trotz dieser internen Erkenntnisse wurde:

  • ein umfangreicher Austausch mit Dentons initiiert,
  • mehrfach eine Überarbeitung von Gutachten veranlasst,
  • der Versand eines Forderungsschreibens verzögert bzw. unterlassen,
  • und eine juristische Strategie verfolgt, deren Erfolgsaussichten aufgrund der bekannten Risikolage der eigenen Anlageentscheidungen gering waren.

Der Ausschuss bewertet diesen Umgang als politisch wie verwaltungsorganisatorisch problematisch, da die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Vorgehens bereits vor Klageeinreichung als äußerst gering eingeschätzt werden musste.

5. Ergebnis und Bewertung

  1. Die Aktenlage ist unvollständig, was eine vollumfängliche und abschließende Prüfung erschwert.
  2. Die Einflussnahme des Bürgermeisters auf die rechtlichen Bewertungen der Gutachter überschritt den Rahmen üblicher Abstimmungsprozesse und betraf unmittelbar Aussagen zu seinem eigenen Verwaltungshandeln. Damit ist die immer wieder wiederholte Aussage, es handle sich bei den Dentons-Gutachten um unabhängige Gutachten widerlegt.
  3. Die eigene Anlagepraxis entsprach nicht den Vorgaben der Kapitalanlagerichtlinie, wodurch eine Falschberatung durch Rödl & Partner nicht begründbar war. Diese Erkenntnis lag verwaltungsintern frühzeitig vor.
  4. Eine erfolgreiche Schadensersatzklage gegen Rödl & Partner musste daher als unwahrscheinlich gelten, sodass die eingeleiteten Schritte aus juristischer und politischer Perspektive nicht nachvollziehbar erscheinen.